Systemik im PM

15 Februar 2016
Erstellt von Ing. Alexandra Schermann, BA
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Die Idee Coaching und Projektmanagement zu vereinen hat in meinem Umkreis zunächst zu skeptischen Blicken geführt. Der Begriff Coaching wird heute sehr inflationär genutzt und so wird schnell aus einem Individualtraining ein Coaching und auch so mache Projektmanagement-Beratung wird unter dem Begriff des Projektcoachings verkauft.

Meine Idee war jedoch eine ganz andere. Viele Ansätze und Grundannahmen des systemischen Denkens können meiner Ansicht nach in vielen Projektmanagementphasen sinnvoll eingesetzt werden. Da Projektmanager im Gegensatz zu Führungskräften keine Führungsverantwortung sondern in der Regel Ergebnisverantwortung tragen, lässt sich die systemische Haltung meiner Meinung nach ausgezeichnet in die Arbeit des Projektmanagements integrieren.

Was bedeutet systemisches Coaching?

  • Der Begriff Coaching ist nicht geschützt und es existieren bereits eine Vielzahl von Interpretationen. Für mich ist Coaching die Begleitung eines Lösungsprozess in dem der Kunde autonom in der Definition seiner Ziele und in der Erarbeitung seiner Lösung ist.
  • Systemik basiert auf dem Konstruktivismus und geht davon aus, dass jede Person ihre eigene Welt selbst kreiert und damit ihre eigene Wirklichkeit schafft.
  • Ein System definiert sich durch die Zusammengehörigkeit der Systemteile die sich wechselseitig beeinflussen und durch Abgrenzung zu dem was nicht zugehörig ist. Die Systemik geht davon aus dass Systeme grundsätzlich in der Lage sind ihre Probleme selbst zu lösen.


Im systemischen Coaching geht es darum die Wirklichkeit des Coachees anzuerkennen und ihm mit systemischen Interventionsmethoden dabei zu helfen die eigenen Ressourcen zur Problemlösung zu erkennen und Raum zu schaffen um das eigene Verhalten zu ändern.

Der systemische Coach hat die Aufgabe durch Fragestellungen Prozesse auszulösen und diese zu begleiten. Nie darf der Coach seine Lösungskonzepte aus seinem System einbringen, auch dann nicht wenn das explizit vom Coachee gefordert wird. Das ist notwendig damit der Coachee die Verantwortung für die Lösungsfindung übernimmt und aktiv am Prozess der Lösungsfindung arbeiten.

Der Projektmanager als systemischer Coach

Als Projektmanager können Sie in jeder Situation entscheiden durch welchen Führungs- und Beratungsstil Sie die konkrete Aufgabe bewältigen wollen. Wenden sie niemals eine Methode an ohne voher überlegt zu haben, ob es die geeignete Methode ist um

  • die konkrete Aufgabenstellung,
  • in der aktuelle Situation,
  • mit genau diesem Projektteam,
  • zu genau diesem Zeitpunkt und
  • unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu lösen.

Der elementare Grundsatz in der Systemik heisst zirkuläre Kausalität und besagt, dass Ursache und Wirkung in einer Wechselbeziehung stehen. Sobald sie Ihre eigene Haltung und damit auch Ihr Verhalten ändern, wird sich diese Veränderung auch auf Ihr Projektteam auswirken. Überlegen Sie sich, wie Sie sich verhalten würden, wenn alles optimal liefe. Malen Sie sich aus wie dann die anderen auf Ihr neues Verhalten reagieren und welche Auswirkungen das wiederum auf Sie selbst hat.

Grundprinzipien der systemischen Haltung

In der Haltung des systemischen Coach gehen Sie davon aus, dass jedes System die Lösung in sich trägt und sorgen damit dafür, dass auch die Verantwortung für die Lösung im System bleibt.
Ihre Zuversicht in die Lösungskompetenz Ihres Teams fördert somit die Lösung selbst.

Niemand hindert Sie daran sich ab heute, beim nächsten Meeting, im nächsten Workshop bereits „also ob“ zu verhalten. Lassen Sie sich selbst überraschen wie ihr Projektteam auf ihre veränderte Haltung reagiert.

Komplexe Systeme denken nicht linear

Menschen, Teams und Organisationen sind hoch komplexe Systeme in denen lineare Denkmuster nicht mehr funktionieren. Der Versuch komplexe Problemen mit linearen Lösungen zu bewältigen verschlimmert nur das Problem. In komplexen Systemen erhält die Wirkung ihre Energie von der Ursache. Ursache und Wirkung stehen in einer Wechselbeziehung – der zirkulären Kausaltität.

Der systemisch zirkuläre Denkansatz versucht nicht nach Ursachen zu suchen oder Schuldige zu finden. Es geht darum herauszufinden, welche Aktionen und Reaktionen zu einem bestimmten Ergebnis geführt haben. Danach wird überlegt welche Aktionen zur Zielerreichung erfolgreicher gewesen wären und welche mögliche Reaktionen entstehen könnten.

In Wirklichkeit gibt es keine Wirklichkeit

Das was wir als Wirklichkeit wahrnehmen ist bereits eine Wirklichkeit aus unserem individuellen Blickwinkel. Wie wir diese Wirklichkeit wahrnehmen, hängt maßgeblich von uns und unseren bisherigen Erfahrungen ab. Solange wir darauf beharren, dass unsere Wahrnehmung die einzige wahre und absolut gesehene Wirklichkeit ist, entstehen Missverständnisse und Konflikte. Sobald wir die Wirklichkeit unseres Gegenübers akzeptieren und anerkennen kann ein Dialog entstehen.

Eigenverantwortung

In der Systemik gehen wir davon aus, dass jedes System und damit auch jedes Projekt-Team über eigene Ressourcen verfügt, um seine Probleme zu lösen. Allerdings muss das Team dazu bereit sein, die Verantwortung für die Lösung des Problems zu übernehmen. Hier hat der Projektmanager – wie auch der Coach – die Aufgabe das Team in diese Eigenverantwortung zu führen und durch systemische Fragetechniken den Lösungsprozess zu unterstützen. Übernimmt der Projektmanager hingegen die Leitung und gibt zu viel vor, verführt er sein Team zur Passivität und erhält nach kurzer Zeit ein Projektteam das keine Verantwortung übernehmen möchte.

Menschen sind nicht – sie verhalten sich

Die Systemische Denkweise unterscheidet zwischen „Sein“ und „Verhalten“.
Eigenschaften sind für gewöhnlich statisch, unveränderbar und unabhängig von Zeit und Ort.
Ein Verhalten ist immer in Relation zu einer bestimmten Situation zu sehen. Damit ist Verhalten im Gegensatz zu Eigenschaften veränderbar. Sobald der Projektmanager jemanden als unzuverlässig betrachtet, beraubt er sich selbst einer Möglichkeit, Prozesse zu verändern. Stellt er jedoch fest, dass ein Projektteammitglied eine Aufgabe nicht verlässlich erfüllt hat – hat er die Möglichkeit zu hinterfragen.

Jedes Verhalten hat Sinn für den Handelnden

Gehen wir weiter davon aus, dass jedes Handeln in genau dieser Situation zu genau diesem Zeitpunkt Sinn für den Handelnden macht, haben wir die Möglichkeit zu erfahren warum sich jemand so verhält. Oft erkennt man, dass das problemhafte Verhalten in einem anderen Kontext sinnvoll war. Vielleicht ist das problemhafte Verhalten sogar irgendwann einmal eine Lösung zu einem anderen Problem gewesen. Diese Sichtweise schafft die Basis für alle Beteiligten ihr Verhalten aus eigenem Antrieb zu hinterfragen und eventuell zu verändern.

Die Kraft der Selbsterhaltung eines Systems

Haben Sie schon einmal einen Raucher versucht vom Rauchen abzuhalten ?
Es ist ein Trugschluss zu glauben, wir könnten Menschen nachhaltig in eine bestimme Richtung verändern. Da jedes Verhalten für den Handelnden Sinn macht, ist dieses Unterfangen aussichtslos. Jeder Mensch muss für sich selbst den Sinn erkennen ein Verhalten zu verändern.
Der Projektmanager hat hier die Aufgabe neue Denk- und Handlungsmuster anzuregen. Ob diese Muster sinnvoll sind und angewendet werden muss das Team entscheiden. Auch hier ist die systemische Haltung des Projektmanagers wichtig um dem Team den Raum zu geben lösungsorientiert vorgehen zu können.

Ziel- und Ressourcenorientiert denken

Sobald ein Projekt in Schieflage gerät verfallen viele Projektteams in eine regelrechte Problemtrance. Oft wird viel Zeit und Kraft in die Problembeschreibung investiert und man steht einer Wand aus „Geht nicht, weil….“ gegenüber. Das teuflische an den Problembeschreibungen ist, dass das Problem immer intensiver erlebt wird, je länger man in der Problemanalyse verhaftet ist und die Lage immer aussichtsloser wird. Wie im Coaching hat der Projektmanager hier die Aufgabe sein Team wieder auf das Ziel und die Lösung zu fokusieren. Stellen sie dem Team zukunfts- und zielorientierte Fragen. Die Frage, „Wie sehen die Rahmenbedingungen aus, unter denen ein Abgabetermin eingehalten werden kann“ ermöglicht es dem Team, Lösungen zu kreieren und Verantwortung zu übernehmen.

Erkennen vollzieht sich über Unterscheidung

Wir erleben eine Situation dann als problemhaft, wenn sie nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmt. Der Ist-Zustand stimmt mit dem Soll-Zustand nicht überein. Im Projektmanagement begegnet uns dieses Prinzip gleich in mehreren Phasen. Das Projekt selbst soll ja von einem Ist-Zustand zu einem definierten Soll-Zustand führen. Die Frage nach den Unterschieden hilft dem Projektmanager dabei zu SMARTEN Zielen zu gelangen. Probleme werden oft über Gefühle wahrgenommen. Wir sind unzufrieden, oder wir ärgern uns zum Beispiel. Doch nicht immer ist sofort klar was eigentlich anders sein sollte damit wir uns wieder wohl fühlen. Oder wir wenden ein bewährtes Verhaltensmuster an und scheitern damit in dem neuen Projektteam. Sucht man Antworten auf die Fragen – was in diesem Projektteam anders ist – findet man die Lösung gleichzeitig mit dem Problem.

Aktives Zuhören

Den anderen ausreden zu lassen ist eine Sache, aktives Zuhören ist eine andere. Hier geht es darum den anderen wahrzunehmen, zu respektieren und sich ganz auf seine Wirklichkeit einzulassen.

Aktives Zuhören bedeutet

  • echtes Interesse zu haben
  • seine eigene Meinung zurückzuhalten.
  • konzentriertes und genaues Hinhören
  • den Sprechenden ncht zu unterbrechen
  • Gesprächspausen auszuhalten

Aktives Zuhören wird unterstützt durch

  • Nicken
  • Blickkontakt
  • offene Haltung
  • kurze Bestätigungslaute
  • kurze Rückfragen
  • Reflektieren/Paraphrasieren (das Gehörte wird in eigenen Worten wiedergegeben)
  • Zusammenfassen

 

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