Der Projektabschluss

05 Dezember 2016
Erstellt von Ing. Alexandra Schermann, BA
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Eines der Merkmale eines Projekts ist ein definierter Anfang und ein Ende.
Nun sollte man meinen, dass der Projektabschluss im Gegensatz zum Projektstart oder der Projektkoordinierung eine leichte Übung sein sollte. Doch manchmal will und will das Projekt einfach nicht zu seinem Ende finden – oder aber das Projektteam löst sich bereits vor dem Projektabschluss auf.
Warum das so ist und welche Gründe es dafür geben kann, erfahren sie in dieser Trouble-Shooter Ausgabe.

Warum der Projektabschluss so wichtig ist

Zu Beginn eines Projekts – in der Projektstartphase – erarbeiten wir gemeinsam mit dem Auftraggeber die Zieldefinition, entwerfen das Projektteam, definieren ein sinnvolles Projektsetting und bereiten strategische Stakeholderkommunikation vor. Damit das Projekt erfolgreich ist, wird während der Projektdurchführung alles darauf gerichtet die definierten Projektziele zu erreichen und die erstellen Produkte an die Organisation zu übergeben.

Am Ende eines Projekts ist es daher unbedingt erforderlich

  • die erstellten Produkte an die Nutzer zu übergeben,
  • die geplanten Projektziele zu überprüfen, um festzustellen ob diese erreicht wurden,
  • die Projekterfahrungen zu reflektieren und zu dokumentieren.

 

Wann ist ein Projekt eigentlich zu Ende?

Ob sich der voraussichtliche Nutzen eines Projekts tatsächlich realisiert, kann oft erst nach einer gewissen Zeitspanne evaluiert werden. Das Projektende kann entweder auf den Zeitpunkt der Übergabe der Produkte oder mit der Evaluierung des Nutzens gesetzt werden.

Nach PRINCE2 wird das Projektende mit der Übergabe der Produkte gesetzt. Allerdings wird in dem sogenannten Nutzenrevisionsplan festgehalten zu welchen Zeitpunkten durch welche Person der entsprechende Nutzen überprüft werden soll. Dieser Nutzenrevisionsplan wird beim Projektabschluss an die Organisation übergeben.

Die IPMA bietet zu diesem Thema keine genauen Aussagen. Hier kann der Projektmanager in Abstimmung mit dem Auftraggeber bzw. der Organisation entscheiden wann das Projektende gesetzt werden soll.

  • Wird das Projekt mit der Übergabe der Produkte an den Kunden abgeschlossen, können die Aktivitäten für die Projektevaluierung in einer Nachprojektphase umgesetzt werden.
  • Sofern das Projekt erst abgeschlossen werden soll wenn der Nutzen vollständig evaluiert werden konnte, muss die Projektevaluierung selbst im Projekt als Arbeitspaket geplant werden. In diesem Fall würde die Produktübergabe als separater Meilenstein definiert werden.

 

Was ist beim Projektabschluss zu tun?

Ziel des Projektabschluss ist es, das Projekt formal und emotional abzuschließen sowie die Produkte an den Kunden zu übergeben.

  • Übergabe der Produkte an den Nutzer sofern diese nicht bereits während der Projektdurchführung
    ausgeliefert wurden.
  • Planung der Nachprojektphase
  • Beurteilung des Projekterfolgs und die Leistungsbeurteilung der Projektmitarbeiter
  • Auflösen der Stakeholderbeziehungen
  • Lernen aus Erfahrung (Lessons Learned)
  • Entlasten des Projektteams
  • Kommunikation des Projektendes an die Organisation

 

Schwierigkeiten beim Projektabschluss

Ähnlich wie beim Projektstart werden wir auch beim Projektabschluss mit unterschiedlichen Schwierigkeiten konfrontiert.

 

"The neverending Story" - das Projekt findet kein klares Ende

Es gibt Projekte die einfach nicht zu ihrem Ende finden. Sobald sich das Projektende nähert, entstehen plötzlich zusätzliche Aufgaben die noch erledigt werden müssen. Wenn sich so ein Trend abzeichnet, sollte dieser kritisch hinterfragt werden. Denn hier zeigt sich vielleicht ein latent wirksamer Wunsch die Projektorganisation am Leben zu erhalten.

Der Lenkungsausschuss oder die Organisation möchte das Projekt nicht beenden

Meist gibt es in diesem Fall Probleme bei der Übergabe in die Organisation. Mit der Übergabe der Lieferobjekte oder Produkte an die Organisation wird auch die Verantwortung für diese Produkte an die Organisation übertragen. Gibt es bei der Entscheidung über die Verantwortung in der Organisation Schwierigkeiten, sind einige Stakeholder vielleicht bestrebt das Projekt am Leben zu halten. Denn solange das Projekt besteht, liegt die Verantwortlichkeit der Produkte weiterhin beim Projektteam.

Die neuen Aufgaben müssen kritisch hinterfragt und das dahinterliegende Problem thematisiert werden. Hier muss natürlich zwischen tatsächlich notwendigen Aufgaben und vorgeschobenen Aufgaben unterschieden werden. Dies ist nicht immer leicht zu erkennen bzw. zu thematisieren. Besprechen Sie ihre Bedenken nach Möglichkeit mit einem Kollegen, einem externen Coach oder im Zuge einer kollegialen Beratung. Eine Außensicht verhilft in solchen Fällen zu mehr Klarheit.

  • Unterstützen Sie den Lenkungsausschuss bzw. die Organisation bei der Schaffung einer geeigneten Betriebs- und Wartungsumgebung.
  • Grenzen Sie jene Aufgaben die im Projekt im Zuge der Übergabe in die Linie zu erledigen sind klar von den Linienaufgaben der Organisation ab. Je besser Projekt und Linienarbeit voneinander abgegrenzt werden können, desto einfacher ist es einen geeigneten Punkt für das Projektende zu finden.

Das Projektteam möchte das Projekt nicht beenden

Teams, die einen sehr hohen Anspruch an ihre eigene Leistung haben, fällt es manchmal schwer einen Punkt zu finden an dem die Arbeit gut genug ist um sie dem Kunden zu übergeben. Wenn von den Teams immer weitere Tests oder Verbesserungen vorgeschlagen werden, muss die dahinterliegende Motivation untersucht werden.

  • Wenn sich das Team betreffend der zu liefernden Qualität unsicher ist, sind die Abnahmekriterien vielleicht zu ungenau definiert.
  • Werden Lieferobjekte aus Angst vor negativen Beurteilungen nicht an die Abnahmetester übergeben, liegt es wahrscheinlich an der vorherrschenden Kultur wie mit Fehlern umgegangen wird.

Projektmitarbeitern die von ihren Linientätigkeiten befreit waren, über einen längeren Zeitraum im Projekt gearbeitet haben oder durch die Projektarbeit hoch motiviert waren, fällt es vielleicht schwer wieder in den Linienjob zurück zu kehren. Über die Projektlaufzeit hat sich eine Projekt- und Gruppenkultur gebildet die nun mit dem Projektende aufgegeben werden muss.

  • Der Abschied vom Projekt und dem Projektteam muss im Zuge des Projektabschluss z.B. im Zuge eines Abschlussworkshops ermöglicht werden.
  • Würdigung des Projektergebnisses und offizieller Abschluss des Projekts.
  • Ein sicherer Übergang für die Mitarbeiter vom Projekt in die Organisation muss geplant werden.

Der Projektmanager selbst möchte das Projekt nicht beenden

Verspürt man als Projektmanager selbst Tendenzen das Projekt nicht abschließen zu wollen, sollte man zunächst alle bisher vorgestellten Motive bei sich selbst suchen. Auch hier ist der Austausch mit Außenstehenden sehr zu empfehlen. Denn die vorgeschobenen Motive, ein Projekt weiterzuführen, sind unbewusste Abwehrmechanismen, die verhindern sollen dass wir unsere sichere Projektumgebung verlassen müssen.

Es kann allerdings auch sein, dass die Motive der Projektorganisation auch auf den Projektmanager übertragen werden. Der Begriff der Übertragung stammt aus der Psychoanalyse und wird auch in der Gruppendynamik verwendet. Starke Wünsche, Befürchtungen oder Ängste in einer Gruppe können sich auf einzelne Gruppenmitglieder oder den Leiter einer Gruppe übertragen. Durch diese „Übertragung" haben wir überhaupt die Möglichkeit verdeckte Motive der Gruppe wahrzunehmen.

Damit wir jedoch mit dieser Übertragung arbeiten können, müssen wir uns als Projektmanager zunächst über die eigenen Beweggründe im Klaren sein. Erst dann können wir erkennen was unsere eigenen Befürchtungen sind und welche die der Gruppe bzw. des Projektteams wiederspiegeln.

Glaub ich nun, dass es sich bei meinen Gefühlen (Ängste, Wünsche, Befürchtungen, Erwartungen) um Übertragungen handelt

  • bilde ich im ersten Schritt Hypothesen über mögliche Gründe und Ursachen und
  • plane in einem zweiten Schritt mögliche Interventionen und Maßnahmen.

 

„Ende ohne Abschluss" - das Projektteam zerfällt

Wer kennt das nicht – das Projektergebnis wurde mit großen Anstrengungen erreicht und niemand hat mehr Lust auf die formalen Abschlussarbeiten. Wobei jeder Projektmitarbeiter eine andere Sicht darauf hat wann das Projektergebnis erreicht wurde. Manchmal werden Projektmitarbeiter auch schon für das nächste Projekt abgezogen.

War das Projekt nicht erfolgreich oder musste sogar abgebrochen werden, besteht die Gefahr dass das Projekt so schnell wie möglich in der Versenkung verschwindet. Doch gerade in solchen Fällen ist es wichtig aus den Erfahrungen zu lernen und diese der Organisation zur Verfügung zu stellen.

In allen beschriebenen Fällen ist der Projektmanager stark gefordert den Zerfallstendenzen zu widerstehen und das Projektteam bis zum Schluss zusammenzuhalten.

  • Überzeugen Sie den Lenkungsausschuss, dass der Projektabschluss sowohl für das Projekt als auch für die Organisation selbst einen wichtigen Teil des Projekts darstellt
  • Planen sie bei der Projektplanung für den Abschluss – so wie auch für den Projektstart – eine realistische Zeitspanne ein und definieren sie bereits zu Beginn die entsprechenden Arbeitspakete für die Abschlussphase.
  • Stellen Sie sicher, dass die Arbeit des Projektteams abgenommen und entsprechend gewürdigt wird.

 

Was kommt danach?

Nicht immer verläuft ein Projekt optimal und selten arbeiten wir unter optimalen Rahmenbedingungen. In der Projektarbeit müssen wir oft viele Kompromisse eingehen. Es ist ein permanentes Abwägen und Ausloten der eigenen Grenzen. Wo gibt die Organisation nach – wo wir als Projektmanager? Wie immer ein Projekt auch gelaufen ist. Am Ende eines Projekts sollten wir unsere eigene Arbeit auf jeden Fall reflektieren. Welche Entscheidungen waren hilfreich, welche Zugeständnisse haben sich zum Bumerang entwickelt?

Die Reflexion der eigenen Arbeit kann entweder alleine mithilfe eines Leitfadens, oder gemeinsam mit Kollegen im Zuge eines Gruppencoachings, einer Supervision oder einer kollegialen Beratung erfolgen. Die Gruppe bietet vor allem unterschiedliche Sichtweisen bzw. können sich auch in der Reflexion selbst Phänomene aus der Organisation zeigen.

Ziel ist es, das eigene Projekt und seine Arbeit von einem anderen Standpunkt aus und mit mehr Distanz zu betrachten. Es geht nicht darum Handlungen als falsch oder richtig zu beurteilen, sondern die Zusammenhänge von Ursache und Wirkung zu erkennen und durch die Reflexion zusätzliche Handlungsoptionen für zukünftige Projekte zu erlangen.

 

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